Die Rivalitäten zwischen einzelnen Städten werden immer seltener ein Thema in der deutschen Presse. Und wenn, dann geht es meistens um die Metropolen: Köln gegen Düsseldorf oder Mannheim gegen Ludwigshafen. Dass zwei Kleinstädte in Mittelsachsen, nämlich Döbeln und Leisnig, im ähnlichen Kontext erwähnt werden können, haben sich deren Bewohner kaum vorgestellt. Was könnte da der Grund sein? Nicht mehr und nicht weniger: Ein Stiefel der Schuhgröße 330.
Die Stadt Döbeln darf den Zunamen Stiefelstadt tragen und darauf stolz sein, den Stiefelkrieg gewonnen zu haben. So hat die lokale Presse die Ereignisse von 2012 beschrieben. Damals wurde nämlich ein Riesenstiefel, der 1925 in Döbeln gefertigt wurde, wieder der Stadt übergeben. Sie fragen sich, wer hätte den riesigen Stiefel bestellt? Tatsächlich keiner, sondern wollte damit das Handwerk auf die traditionsreiche Geschichte der Schuhmacherei in der Stadt aufmerksam machen. Trotz der imposanten Vorstellung des Stiefels ist er nach einigen Zeit in Vergessenheit geraten. Erhalten geblieben ist er dank Bemühungen der Bürger aus Leisnig, die ihn in ihre eigene Stadt geholt und sich um den Riesenstiefel jahrelang treu gekümmert haben.
Nach der politischen Wende wurden die Stimmen aus Döbeln immer lauter: Man wollte den rekordverdächtigen Stiefel zurückhaben. Die Reaktion? 1996 haben Leisniger jeden Rekordgeschlagen, als die dortige Schuhmacherei einen noch größeren Stiefel gefertigt hat. Dass es sich bei diesem Stiefel und nicht dem aus Döbeln um größten der Weld handelt, ließ man sogar vom Guinnessbuchbescheinigen. Dass die Döbelner entsetzt waren, ist wohl zu wenig gesagt. Der mögliche Rekord war nun weg und der alte Stiefel noch lange nicht in der Heimat: Erst 16 Jahre später wurde er nach Döbeln transportiert.
Bloß gewartet haben die Döbelner all die Jahre allerdings nicht. 2003 hat ein Schuhmeister aus Döbeln den zweiten Riesenstiefel vorgestellt. Dieser war 3,9 Meter hoch und damit noch höher als der Stiefel von 1925. Der Leisniger Rekord-Stiefel ist aber trotzdem am höchsten: 4,9Meter hoch und 439 Kilo schwer ist der Riese. Der Schuhmeister musste für den Stiefel sogar das Dach seiner Werkstatt opfern, damit dieser reinpasst.
Im Stiefelkrieg scheinen die beiden Parteien gewonnen zu haben. Die Döbelner haben ihren alten historischen Riesenstiefel zurück und sogar noch einen neueren dazu. Die Leisniger haben ihren Weltrekord und ein Museum für den Riesenstiefel. Und was die beiden Städte gemeinsam haben, ist die reiche Tradition des Schuhhandwerks, die hinter all den Riesenstiefeln steht und auf welche die ganze Region zweifelsohne stolz sein kann.
Euer Dirk Eckart